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Gastroenterologie: Fäkale Mikrobiota-Transplantation bei rezidivierender Clostridium-difficile-Infektion

Die rezidivierende Clostridium-difficile-Infektion (rCDI) birgt eine therapeutische (teils auch diagnostische) Herausforderung. Insgesamt zwar noch relativ selten stellt sie bereits jetzt ein substantielles sozioökonomisches Problem dar. Nach einem ersten therapeutischen Misserfolg erhöht sich das Risiko von weiteren Rezidiven dramatisch. Für die fäkale Mikrobiota-Transplantation („Stuhltransplantation“) existiert nun eine robuste medizinische Evidenz mit dokumentierten Erfolgsraten um ca. 90%. Somit empfiehlt sich diese zunächst eher bizarr anmutende Therapiestrategie als Methode der Wahl bei der rCDI.

Stellen Sie sich vor, Sie erhielten Antibiotika, z.B. bei Ihrem Zahnarzt im Anschluss an einen Eingriff, entwickelten danach eine schwere Durchfallerkrankung und würden nach entsprechender Testung mit der Diagnose Clostridium-difficile-Infektion (CDI) konfrontiert. Höchstwahrscheinlich würden Sie im Einklang mit Ihrem medizinischen Wissen unverzüglich zu einer antibiotischen Therapie greifen. Tatsächlich wären die Chancen einer Heilung mit etwa 80% recht hoch. Was aber wäre, wenn Sie zu der kleinen, jedoch wachsenden Patientengruppe gehörten, die ein Rezidiv entwickelt? Eine Zweitlinien-Antibiotikatherapie, eventuell mit längerer Einnahmedauer und einem Ausschleichschema, und/oder eine Kombination mit Probiotika? Und was weiter, wenn auch diese Option versagen würde und Sie anhaltend durch die schweren Symptome in Ihrer Lebensqualität massiv eingeschränkt wären bzw. sogar hospitalisiert werden müssten? Die Chancen stünden gut, dass Sie eine Vielzahl an verschiedenen Ärzten konsultieren und eine ebensolche Vielzahl an antibiotischen „Cocktails“ ausprobieren würden. Parallel zur Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges (denn es gilt: Jedes Rezidiv erhöht das Risiko weiterer Rezidive) würden vermutlich auch Ihre Frustration und Ihre Verzweiflung zunehmen.

In etwa einem solchen Gesamtkontext würden Sie nun von einer Therapiemöglichkeit erfahren, die bei den meisten Menschen zunächst am ehesten Assoziationen wie Ekel, Abscheu oder Unverständnis (in der englischsprachigen Literatur oft als „yuck factor“ bezeichnet – in etwa: bäh, igitt!) und weniger den Gedanken an einen therapeutischen Erfolg weckt: die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT), bisher meist als „Stuhltransplantation“ bezeichnet (eigentlich nicht ganz präzise: Nicht der komplette Stuhl, sondern eine mikrobielle Lösung in Form eines Filtrats wird appliziert).

Sowohl die klinische Erfahrung als auch die zu diesem Thema rapide wachsende medizinische Datenlage zeigen, dass interessanterweise die allermeisten Patienten nach ersten Vorinformationen nicht nur offen und „unverkrampft“ gegenüber dieser Therapieoption sind (übrigens eher als manche medizinische Fachpersonen),[1 ]sondern sich diese regelrecht wünschen und teilweise auch bereit sind, deren Kosten, die Suche nach einem Spender, verschiedene Tests und eventuell auch eine längere Wegstrecke bzw. Wartezeit auf sich zu nehmen.

Die rezidivierende Clostridieninfektion (rCDI)

Sowohl Inzidenz als auch Morbidität und Mortalität der Clostridium-difficile-Infektion (CDI) sind innerhalb der letzten Jahre deutlich angestiegen; so zeigte sich etwa eine annähernde Verdreifachung in den USA zwischen 1996 und 2005. Auch wenn die genauen Gründe dieses Anstiegs noch nicht vollständig geklärt sind, dürfte die allgemeine Zunahme von älteren, polymorbiden Patienten im Rahmen der demografischen Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Allerdings werden zunehmend auch Fälle von (r)CDI bei jüngeren, gesunden Menschen beobachtet, auch ohne vorangehende Antibiotikatherapie. Letztere ist neben einer Krankenhaus-akquirierten Infektion noch immer der wichtigste Risikofaktor.

Weitere Häufungen werden allgemein bei Immunsupprimierten, bei schwangeren Frauen sowie vermehrt auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beobachtet. Mit Sorge zu betrachten – in der Schweiz allerdings eher noch keine grössere Rolle spielend – ist zudem das Auftreten von virulenteren Keimen mit herabgesetzter Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika.[2]Erfreulicherweise kann die Infektion in der Mehrheit der Fälle (etwa 80%) unproblematisch durch eine konventionelle antibiotische Therapie erfolgreich behandelt werden.[2] Die Minderheit der Patienten, die ein Rezidiv erleiden, unterliegt jedoch einem deutlich höheren Risiko eines erneuten Rezidivs (40–60%). Eine rCDI wird als Rekurrenz von typischen Symptomen innerhalb von acht Wochen nach Abschluss einer zuvor erfolgreichen antibiotischen Therapie definiert.[3] Der epidemiologische Verlauf der CDI bringt konsekutiv auch eine Zunahme der rCDI mit sich. Parallel hierzu steigt neben der Morbidität und Mortalität – gerade bei älteren Menschen – auch die sozioökonomische Tragweite. Die Kosten einer Hospitalisation können sich durch eine CDI vervierfachen; so belaufen sich Schätzungen der jährlichen Gesundheitskosten in den USA auf 1 bis knapp 5 Milliarden US-Dollar.[4]

Konventionelle und neuere Therapieoptionen

Seit Langem gilt perorales Metronidazol als Therapie der Wahl, zumindest bei milder bis moderater CDI. Dies ist weiterhin der Fall, nicht nur bei der initialen Episode, sondern auch bei einem ersten Rezidiv. Während Vancomycin bei einer klinisch schwer verlaufenden ersten Episode (bzw. Rezidiv) zu bevorzugen ist, mehren sich die Stimmen, die Vancomycin generell einen Platz als Erstlinientherapeutikum einräumen möchten, auch bei milder bis moderater Form. Dies wird unter anderem durch die steigende Therapieversagerrate von Metronidazol begründet (in den USA wurde ein Anstieg von ca. 2,5% auf etwa 18% seit dem Jahr 2000 beschrieben[2, 3]). Auch wenn konkrete Zahlen für die Schweiz fehlen, scheint das Ansprechen auf Metronidazol hier (noch) besser zu sein. In Verbindung mit dem deutlich höheren Preis von Vancomycin sowie dessen Charakter als wichtiges Reservemedikament und der Gefahr von Resistenzinduktionen untermauert dies, dass Metronidazol zunächst die erste therapeutische Wahl bleiben sollte.

In Tabelle 1 sind die empfohlenen konventionellen antibiotischen Therapieoptionen aufgeführt.[3] Bei der Therapie von Rezidiven kann eine Zugabe des Probiotikums Saccharomyces boulardii wahrscheinlich das Rückfallrisiko etwas senken.[3] So hat eine neuere Metaanalyse nun auch erstmalig eine primärprophylaktische Wirkung von Probiotika bei Antibiotikatherapie für das Auftreten einer CDI gezeigt.[5] Weitere Therapieoptionen – die Antibiotika Fidaxomicin und Rifaximin sowie monoklonale Immunglobuline – sind zwar in den letzten wenigen Jahren zum therapeutischen Repertoire dazugekommen. Bisher ist jedoch entweder die Verfügbarkeit und/oder vor allem der hohe Preis ein wesentliches Hindernis für die genannten Optionen.

Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) – Historisches und Rationale

Das Prinzip der FMT wird bereits seit Jahrhunderten unter dem Begriff „Transfaunation“ angewendet. Der erste publizierte Therapieversuch an einer kleinen Serie von Patienten mit fulminanter CDI fand bereits 1958 statt. Die Rationale der FMT ist bestechend einfach: Eine der Hauptaufgaben der normalen intestinalen Mikrobiota (der Begriff „Darmflora“ ist obsolet) ist es, pathogene Keime aussen vor zu lassen bzw. zumindest an einer unkontrollierten Proliferation zu hindern. Eine antibiotische Therapie im Allgemeinen – und im Speziellen eben auch eine gegen Clostridium difficile gerichtete – führt zu schweren Alterationen in der mikrobiellen Zusammensetzung, was wiederum eine essenzielle Voraussetzung für eine unkontrollierte Proliferation dieses Pathogens darstellt, dem mit einer erneuten antibiotischen Therapie zu begegnen versucht wird – nicht selten ein regelrechtes Sisyphus-Unterfangen.

Die Behandlung mit einer FMT zielt nun geradewegs darauf ab, eine möglichst „normale“ (wenngleich von der ursprünglichen Zusammensetzung her unterschiedliche) mikrobielle Zusammensetzung wiederherzustellen und die vorhandene Dysbiose zu beseitigen. Sie richtet sich somit zwar nicht direkt gegen das ursächliche Pathogen, dennoch ist sie als kausal zu betrachten.

FMT – eindrückliche Erfolgsraten bei rCDI

Seit der oben genannten Erstbeschreibung durch den Chirurgen B. Eiseman sind zahlreiche Fallberichte und Fallserien zur Therapie der rCDI publiziert worden, und zwar mit verblüffend hohen Erfolgsraten von etwa 90%. Ein Vorwurf an diese Publikationen zielte nicht selten auf deren unkontrollierten Charakter ab. Seit Anfang dieses Jahres liegt nun genau das vor, was von vielen kritischen Stimmen berechtigterweise gefordert worden war: eine kontrollierte, randomisierte Studie.[6 ]Die Überlegenheit der FMT (in dieser Studie via Duodenalsonde appliziert) gegenüber einer alleinigen antibiotischen Therapie mit Vancomycin oder Vancomycin + Placebo-Sondenlösung war derart hoch, dass ein Weiterführen für die Patienten ohne FMT aus ethischen Gründen als nicht vertretbar angesehen und die Studie vorzeitig beendet wurde.

FMT – viele offene Fragen

So eindrücklich die bisherigen Resultate zur FMT bei rCDI sind, so hoch ist auch die Zahl an weiterhin offenen Fragen bzw. Bedenken. Ob einer Durchführung der FMT via duodenale Applikation, Einlauf, Koloskopie oder gar einer Kombination dieser Modi der Vorzug zu geben ist, stellt momentan eher eine Glaubensfrage dar bzw. ist im besten Fall die Wahl der Applikationsform in der Erfahrung des Untersuchers begründet.

So strittig wie die ideale zu verarbeitende Stuhlmenge und Aufbereitungstechnik ist auch die Wahl der Trägerlösung. Dies relativiert zweifelsohne die zahlreichen, in medizinischen Publikationen oder auch lose im Internet erhältlichen Anleitungen zur „FMT lege artis“. Ob, und wie lange vor und nach einer FMT welche Antibiotika gegeben werden sollten, ist bisher nicht systematisch untersucht worden. Auch werden zum Teil widersprüchliche Argumente hinsichtlich der Wahl eines geeigneten Donators vorgebracht.

Für einen fremden bzw. nicht im selben Haushalt lebenden Spender spräche, dass eine möglichst unterschiedliche mikrobielle Zusammensetzung wünschenswert wäre, wodurch die Chance einer Kolonisation des Spenders mit Clostridium difficile minimiert werden könnte. Demgegenüber erachten die Befürworter eines Spenders aus demselben Haushalt eine möglichst ähnliche Zusammensetzung der Darmbakterien als ideal für ein besseres „engraftment“. Auch hierzu fehlen konkrete Daten. An unserem Zentrum legen wir auch aus mediko-legalen Gründen auf einen Spender aus dem sehr nahen Beziehungsnetz des Patienten Wert. Denn – und das sind sicherlich gerechtfertigte Bedenken der kritischen Stimmen – selbst eine sorgfältige Untersuchung sowohl des Donators als auch des Akzeptors vermag eine Übertragung eines seltenen, eventuell sogar bisher noch nicht beschriebenen pathogenen Agens nicht mit Sicherheit zu verhindern.

Auch muss man sich mit der folgenden, zumindest theoretischen Überlegung auseinandersetzen: Wenn den Darmbakterien eine wichtige Rolle bei der Entstehung von zahlreichen extraintestinalen und intestinalen Erkrankungen (von Reizdarm und IBD über Adipositas bis hin zu rheumatoider Arthritis, multipler Sklerose oder M. Parkinson etc.) zugeschrieben wird – könnte durch eine FMT eventuell auch ein für diese prädisponierender Faktor übertragen werden?

FMT – Resümee und Ausblick

Initial nicht selten als Sinnbild der Verzweiflung sowohl des Patienten als auch des Arztes belächelt, stellt die FMT bei der rCDI eine mittlerweile bestens etablierte therapeutische Option mit Erfolgsraten dar, welche jene sämtlicher bisherigen, aber auch neuartigen Therapieoptionen in den Schatten stellt. Die genaue Positionierung im therapeutischen Algorithmus der rCDI ist allerdings noch unklar. Unserer Ansicht nach ist die FMT die Methode der Wahl bei einem zweiten oder weiteren Rezidiv. Gegebenenfalls besteht die Indikation aber auch bereits bei einem ersten Rezidiv (insbesondere bei schwerem Verlauf) oder bei einer ersten fulminanten Infektion, die unzureichend oder nur protrahiert auf Vancomycin anspricht. In den nächsten Jahren ist durch die Epidemiologie und die wachsende Akzeptanz der Methode mit einer Zunahme der durchgeführten FMT zu rechnen.

Immer wieder äussern auch Patienten mit anderen Erkrankungen, v.a. IBS, IBD bzw. auch Nahrungsmittelintoleranzen, den Wunsch nach einer FMT. Bevor jedoch zu einem Therapieversuch bei anderen Indikationen als der rCDI geraten werden kann, ist eine systematische Untersuchung für jede dieser Pathologien individuell zu fordern. Gerade etwa bei der Colitis ulcerosa laufen hierzu erste systematische, kleinere Untersuchungen, deren Resultate es abzuwarten gilt. Der bisherige Modus der FMT mit den Vorabklärungen sowie der Aufbereitung des Transplantats ist aufwendig und aufgrund des relativ hohen Arbeitsaufwands recht kostenintensiv.

In fernerer Zukunft könnten hierfür standardisierte mikrobielle Lösungen mit definierter Zusammensetzung, je nach Indikation bzw. sogar adaptiert an den Empfänger, zum Einsatz kommen.

Literatur:

[1] Kahn SA, Gorawara-Bhat R, Rubin DT: Fecal bacteriotherapy for ulcerative colitis: patients are ready, are we? Inflammatory Bowel Diseases 2012

[2] Kelly CP, LaMont JT: Clostridium difficile – more difficult than ever. N Engl J Med 2008; 359: 1932-40

[3] Cohen SH, Gerding DN, Johnson S et al: Clinical practice guidelines for Clostridium difficile infection in adults: 2010 update by the Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) and the Infectious Diseases Society of America (IDSA). Infect Control Hosp Epidemiol 2010; 31: 431-55

[4] Dubberke ER, Olsen MA: Burden of Clostridium difficile on the healthcare system. Clin Infect Dis 2012; 55(Suppl 2): S88-92

[5] Johnston BC, Ma SSY, Goldenberg JZ et al: Probiotics for the prevention of Clostridium difficile-associated diarrhea – a systematic review and meta-analysis. Annals of Internal Medicine 2012; 157: 878-88

[6] Van Nood E, Vrieze A, Nieuwdorp M et al: Duodenal infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile. N Engl J Med 2013; 368: 407-15

Autor:
Dr. med. Luc Biedermann
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
UniversitätsSpital Zürich

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